Update Vergabe 11.12.2024

EuGH: Konzessionsvertragsänderung nach tragischem Brückeneinsturz

Nach dem folgeschweren Einsturz der Morandi-Brücke in Genua machte die Republik Italien Vertragsverletzungsansprüche in Milliardenhöhe gegen die Autobahnbetreiberin (Konzessionsnehmerin) geltend. In einem Vergleich einigte man sich auch auf die Erhöhung von Sicherheitsstandards. Zudem stimmte die Muttergesellschaft der Konzessionsnehmerin einer Veräußerung von Anteilen an einen Dritten zu. Eine unzulässige nachträgliche Konzessionsänderung?
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Rechtlicher Kontext

Konzessionsverträge dürfen, ohne ein neues Verfahren durchzuführen, nur unter bestimmten, in der EU-Konzessionsvergaberichtlinie (und dem BVergGKonz 2018) definierten Voraussetzungen geändert werden. Dazu zählen beispielsweise Änderungen aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände und Änderungen in der Person des Konzessionsnehmers aufgrund von Unternehmensumstrukturierungen (Übernahme, Fusion, Erwerb, Insolvenz etc).

Instanz

Die Republik Italien schloss 2007 mit der ASPI eine Konzession über den Betrieb mehrerer Autobahnen bis 2038 ab. Nach dem Einsturz der Morandi-Brücke 2018, die 43 Todesopfer forderte, klagte die italienische Regierung ASPI auf Schadenersatz. 2021 einigten sich die Auftraggeberin, ASPI und deren Muttergesellschaft auf folgenden Vergleich: Die (i) ASPI leistet 3,4 Mrd EUR Schadenersatz, (ii) ASPI erhöht die Sicherheitsstandards des konzessionierten Autobahnnetzes und (iii) die Muttergesellschaft der ASPI überträgt Anteile und damit die Kontrolle über ASPI auf einen privaten Fonds. Ein auf Verkehr spezialisierter Verbraucherverband erhob eine Nichtigkeitsklage gegen die Vergleichsvereinbarung, weil gegen die Richtlinienbestimmungen zur Änderung von Konzessionsverträgen verstoßen worden sei.

Entscheidungsinhalt

Der EuGH überließ die Beurteilung des konkreten Einzelfalls dem nationalen Gericht. Die Vertragsverletzung des Konzessionsnehmers kann jedoch für sich genommen nicht als ein Umstand angesehen werden, den ein seiner Sorgfaltspflicht nachkommender öffentlicher Auftraggeber nicht vorhersehen konnte und der als Rechtfertigung für nachträgliche Änderungen herangezogen wird: „Unter Berücksichtigung des Zwecks dieser Bestimmung, wie er sich aus dem 76. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, kann daher eine Verletzung der Vertragspflichten durch den Konzessionsnehmer die Änderung einer Konzession während ihrer Laufzeit ohne Öffnung für den Wettbewerb nicht rechtfertigen.“

Hinsichtlich der Verpflichtung des Konzessionsnehmers zur Leistung von Schadenersatz und der Erhöhung der Sicherheitsstandards des Autobahnnetzes geht der Gerichtshof davon aus, dass dadurch das wirtschaftliche Gleichgewicht der Konzession nicht zugunsten des Konzessionärs verändert würde (keine Vermutung einer wesentlichen Vertragsänderung gem Art 43 Abs 4 lit b Richtlinie 2014/23/EU).

Darüber hinaus führen „Veräußerungen von Anteilen am Gesellschaftskapital an neue oder bestehende Anteilseigner nicht dazu, dass der ursprüngliche Konzessionsnehmer durch einen neuen Konzessionsnehmer ersetzt wird“. Diese sind nicht Gegenstand der Unternehmensumstrukturierung gemäß Art 43 Abs 1 lit d der EU-Konzessionsvergaberichtlinie (§ 108 Abs 3 Z 3 BVergGKonz 2018). Da die Richtlinie den Nachweis der Eignung nur bei einer Unternehmensumstrukturierung verlangt, ist bei einer Veräußerung von Anteilen des Konzessionsnehmers keine neue Eignungsprüfung nötig.

Ergebnis/Fazit

Vertragsverletzungen des Konzessionärs begründen per se keine unvorhersehbaren Umstände. Allfällige dadurch entstehende Änderungen des Konzessionsvertrages sind daher auf ihre Wesentlichkeit hin zu überprüfen.

Der EuGH bestätigt zutreffend, dass bloße Änderungen in der Gesellschafterstruktur des Konzessionsnehmers keine Änderung des Konzessionsnehmers selbst und damit keine (wesentliche) Änderung des Konzessionsvertrages darstellen.

Sebastian Feuchtmüller / Benedikt Flasch

 

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