EuGH zur Beteiligung von Unternehmer:innen aus Drittstaaten
Auftraggeber:innen steht es frei, ob sie Unternehmer:innen aus Drittstaaten ohne Beschaffungsabkommen mit der EU zulassen oder nicht. Bereits zugelassene Bieter:innen waren aber bis vor kurzem so zu behandeln wie EU-Bieter:innen. Diesen Grundsatz wirft der EuGH in einem aktuellen, auch vom BMJ in einem Rundschreiben behandelten Erkenntnis über Bord.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Gemäß Art 43 der RL 2014/25/EU müssen öffentliche Auftraggeber:innen Unternehmer:innen aus solchen Drittstaaten, die ein entsprechendes Übereinkommen (zB das GPA) mit der EU abgeschlossen haben, dieselben Bedingungen wie EU-Unternehmer:innen gewähren. Unternehmer:innen aus diesen Drittstaaten haben demnach Anspruch auf Gleichbehandlung und können sich auf die Bestimmungen der RL 2014/25/EU berufen. Dies galt nach den ErläutRV zum BVergG 2018 in Österreich auch für Unternehmer:innen aus anderen Drittstaaten, sofern sie ein Auftraggeber bereits (freiwillig) zum Vergabeverfahren zugelassen hatte.
Sachverhalt
Eine kroatische Sektorenauftraggeberin führte ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich betreffend die Errichtung von Eisenbahninfrastruktur durch. Die Auftraggeberin beabsichtigte, den Zuschlag einer europäischen Bietergemeinschaft zu erteilen. Nach Zurückweisung der Beschwerde eines türkischen Mitbewerbers klagte dieser vor dem Hohen Verwaltungsgericht Kroatiens unter Berufung auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 36 der RL 2014/25/EU (SektorenRL). Das Gericht befasste den EuGH mit der Frage, welche Rechte Art 36 und 67 der SektorenRL Drittstaatsangehörigen einräumen.
Entscheidung des EuGH
Nach dem EuGH genießen Unternehmer:innen aus Drittstaaten, mit denen die EU ein entsprechendes Beschaffungsübereinkommen (zB das GPA) geschlossen hat, bei der Teilnahme an EU-Vergabeverfahren die gleichen Rechte wie Unternehmer:innen aus EU-Staaten.
Unternehmer:innen aus Staaten, mit denen die EU bislang kein derartiges internationales Übereinkommen getroffen hat (zB die Türkei), ist es grundsätzlich zwar nicht verboten, an Ausschreibungen in der EU teilzunehmen. Im Rahmen einer Teilnahme an einem Vergabeverfahren können sie sich jedoch nicht auf die Rechte aus der Richtlinie 2014/25 (zB auf das Recht auf Gleichbehandlung ihres Angebots mit Angeboten von Bietern aus einem EU-Staat) berufen. Es liegt daher im Ermessen der jeweiligen Auftraggeberin, ob sie Unternehmer:innen aus jenen Drittstaaten teilnehmen lässt. Selbst nach Zulassung zum Vergabeverfahren haben diese Unternehmer:innen kein Recht auf Gleichbehandlung. Es steht der Auftraggeberin daher frei, in den Ausschreibungsunterlagen „Behandlungsmodalitäten“ für Angebote von Unternehmer:innen aus Drittstaaten festzulegen. Auf diese Weise kann die Auftraggeberin „Bewertungsanpassungen“ bei den Angeboten dieser Unternehmer:innen im Vergleich zu jenen anderer Bieter:innen vornehmen.
Entscheidungsinhalt
In seinem Rundschreiben vom 23.12.2024 betont das BMJ, dass die Entscheidung des EuGH Klarheit zur Rechtsstellung von Unternehmer:innen aus Drittstaaten nach ihrer Zulassung im Vergabeverfahren bringt. Selbst im Fall ihrer Zulassung kommt Unternehmer:innen aus Drittstaaten, die nicht Vertragspartei eines einschlägigen Übereinkommens sind, nämlich kein Recht auf Gleichbehandlung gemäß den Vergaberichtlinien zu. Dies stellt insofern eine Neuerung dar, als in den ErläutRV noch festgehalten ist, dass Unternehmer:innen aus Drittstaaten ab dem Zeitpunkt der Zulassung dieselben Rechte wie inländische Unternehmer:innen genießen. Der Auftraggeber kann diese Bieter:innen gemäß der neuen EuGH-Rechtsprechung nach Ansicht des BMJ sogar ohne Angabe von Gründen ausscheiden. Bieter:innen aus Drittstaaten können sich allenfalls auf die Einhaltung nationaler Anforderungen wie Transparenz oder Verhältnismäßigkeit berufen. Da diesen Bieter:innen allerdings auch der vergabespezifische Rechtsmittelweg verwehrt ist, wäre laut BMJ an etwaige Ansprüche aufgrund von culpa in contrahendo zu denken. Um die Erfolgsaussichten solcher Ansprüche zu reduzieren, empfiehlt das BMJ klare Regelungen zum Umgang mit Unternehmer:innen aus Drittstaaten in der Bekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen.
Ergebnis/Fazit
Unternehmer:innen aus Drittstaaten, die weder das GPA noch ein anderes Beschaffungsübereinkommen unterfertigt haben, kommt auch nach Zulassung zum Vergabeverfahren kein Recht auf Gleichbehandlung mehr zu. Auftraggeber:innen können daher frei entscheiden, ob sie die Teilnahme solcher Unternehmer:innen zulassen und unter welchen Bedingungen sie deren Angebote nach Zulassung bewerten.
Gregor Saxinger