Zugang zu Verschlusssachen als Teil der vergaberechtlichen Eignung
Top Secret: Erfordert die Erbringung eines öffentlichen Auftrags den Zugang zu klassifizierten Informationen, können spezielle Sicherheitsüberprüfungen erforderlich sein. In einer aktuellen Entscheidung äußert sich der EuGH zur Rolle der Sicherheitsüberprüfung von Bieter:innen im Vergabeverfahren.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Zum Schutz der Interessen der EU und der Mitgliedsstaaten werden sensible Informationen betreffend die Sicherheit oder Wirtschaft als (EU-)Verschlusssachen geführt (Beschluss 2013/488/EU). In Österreich dürfen Personen, die nicht Bedienstete des Bundes sind, solche klassifizierten Informationen nur unter gewissen Voraussetzungen zugänglich gemacht werden. Für den Zugang zu diesen Informationen ist ua die Erlangung einer Sicherheits-unbedenklichkeitsbescheinigung (vgl § 12 InfoSiG) erforderlich. Bei als „VERTRAULICH“, „GEHEIM“ oder „STRENG GEHEIM“ klassifizierten Informationen ist ferner eine Sicherheitsüberprüfung gemäß Sicherheitspolizeigesetz (gemäß §§ 55 bis 55b SPG) oder Militärbefugnisgesetz (§§ 23 und 24 MBG) notwendig. Beinhalten öffentliche Aufträge Verschlusssachen, kann diese Bescheinigung bzw Überprüfung zum Nachweis der vergaberechtlichen Eignung verlangt werden (siehe § 64 Abs 8 BVergGVS).
Instanz
Die slowakische nationale Sicherheitsbehörde entzog einem Unternehmen die ihm erteilte Sicherheitsfreigabe (=Sicherheitsbescheid). Durch den Entzug konnte sich das Unternehmen nicht mehr an öffentlichen Aufträgen, bei denen der Zugang zu klassifizierten Informationen erforderlich ist, beteiligen. Es erhob daher ein Rechtsmittel gegen den Entzug des Sicherheitsbescheids. Im Laufe des Rechtstreits wurde auch der EuGH mit der vergaberechtlichen Eignung iZm Verschlusssachen befasst.
Sachverhalt
Um den Schutz von Verschlusssachen durch Auftragnehmer:innen und Subunternehmer:innen zu gewährleisten, müssen diese einen Sicherheitsbescheid für den Zugang zu klassifizierten Informationen besitzen. Wie dieser erlangt werden kann, richtet sich nach den jeweiligen nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten (vgl auch Nr. 8 bis 13 Anhang V Beschluss 2013/488).
Die Innehabung einer entsprechenden Sicherheitsfreigabe ist im Kontext von öffentlichen Aufträgen somit ein Teil der Eignung. Werden im Zuge der Auftragserbringung klassifizierte Informationen an den:die Auftragnehmer:in weitergegeben, muss der Sicherheitsbescheid spätestens zu Beginn der Ausführung vorliegen. Müssen klassifizierte Informationen bereits für die Angebotserstellung zur Verfügung gestellt werden, oder ist der Auftrag selbst als Verschlusssache qualifiziert, ist der Bescheid bereits für die Teilnahme am Vergabeverfahren erforderlich. Wird dieser nicht ausgestellt oder entzogen, fehlt es dem:der betroffenen Unternehmer:in an der vergaberechtlichen Eignung. Das Fehlen der sicherheitsrelevanten Eignung führt in diesem Fall zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren. Die Aufhebung eines Sicherheitsbescheids ist ferner ein Grund für die Kündigung eines als Verschlusssache eingestuften Auftrags aufgrund von Eignungsverlust. Im Ergebnis verliert ein Unternehmen somit die vergaberechtliche Eignung, wenn die erforderliche Sicherheitsfreigabe von der nationalen Sicherheitsbehörde entzogen wird. Der EuGH traf im konkreten Fall jedoch keine Aussage, ob die Eignung des Unternehmens verlorengegangen ist, sondern verwies die Sache an das nationale Gericht zurück.
Ergebnis/Fazit
Gewisse Verschlusssachen dürfen der „Zivilbevölkerung“ aufgrund ihrer Sensibilität nur unter gewissen Voraussetzungen anvertraut werden. Der Besitz einer Sicherheitsunbedenklichkeitsbescheinigung bzw Sicherheitsüberprüfung ist im Fall von öffentlichen Aufträgen ein Teil der vergaberechtlichen Eignung. Ist eine Bescheinigung oder Überprüfung für die Erbringung eines Auftrags erforderlich, sollte diese frühzeitig eingeholt werden. Wird die Bescheinigung entzogen, kann dies zur Kündigung des vergebenen Auftrags führen.
Lukas Ludvik