EuGH: Aufteilung eines Auftrags auf mehrere Bieter
Bei einer Losvergabe dürfen öffentliche Auftraggeber:innen die Anzahl der Lose beschränken, für die ein einzelner Bieter den Zuschlag erhalten kann. Dies soll der Sicherstellung von mehr Wettbewerb dienen. Der EuGH bestätigt den kreativen Ansatz einer dänischen Auftraggeberin, die sich trotz einer solchen Losbegrenzung stets die besten Preise sicherte.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Gemäß Art 18 der RL 2014/24 bzw § 20 Abs 1 BVergG 2018 haben öffentliche Auftraggeber:innen alle Wirtschaftsteilnehmer:innen in gleicher und nichtdiskriminierender Weise sowie transparent und verhältnismäßig zu behandeln. Ein Vergabeverfahren darf den Wettbewerb zudem nicht künstlich einschränken. Künstlich eingeschränkt wird der Wettbewerb jedenfalls dann, wenn durch die Konzeption oder Durchführung des Vergabeverfahrens bestimmte Unternehmer auf unzulässige Weise bevorzugt oder benachteiligt werden.
Bei einer Losvergabe dürfen Auftraggeber:innen die Zahl der Lose beschränken, für die ein einzelner Bieter den Zuschlag erhalten kann. Wesentlich ist, dass objektive und nichtdiskriminierende Kriterien für die Vergabe der Lose in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt werden (Art 46 Abs 2 und 3 der RL 2014/14 bzw § 28 Abs 3 Z 2 BVergG 2018).
Ausgangsfall
Eine zentrale dänische Beschaffungsstelle führte zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung und Aufbereitung von Bibliotheksmaterialen ein offenes Vergabeverfahren nach dem Billigstbieterprinzip durch. Der Auftrag war in mehrere Lose untereilt. Für das Los „Dänische Bücher und Notenblätter“ wurde ein „Ost/West‑Modell“ ausgeschrieben: Damit sollte für das Gebiet Ostdänemark und für das Gebiet Westdänemark jeweils ein eigener Lieferant gefunden werden. Die angebotenen Preise sollten aber für Kund:innen in beiden Gebieten gleich sein.
Die Ausschreibungsbedingungen legten in diesem Zusammenhang fest, dass für das Gebiet Westdänemark dem Billigstbieter der Zuschlag erteilt wird. Für das Gebiet Ostdänemark sollte hingegen dem zweitbilligsten Bieter die Möglichkeit gegeben werden, die gleichen Preise wie der Billigstbieter anzubieten. In einem solchen Fall würde dann der zweitbilligste Bieter den Zuschlag für das Gebiet Ostdänemark erhalten. Mit dieser Regelung wollte die Auftraggeberin den künftigen Wettbewerb in diesem Markt sicherstellen.
Gegenstand des nationalen Rechtsstreits war die vergaberechtliche Zulässigkeit dieser Bestimmung. Das Landgericht für Ostdänemark rief den EuGH zur Beurteilung dieser Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens an.
Entscheidungsinhalt
Nach Ansicht des EuGH widerspricht die in Rede stehende Festlegung, wonach der Zuschlag in einem offenen Verfahren im größten Los an den Bieter mit dem günstigsten Angebot erteilt werden soll, ein kleines Los aber vorzugsweise an den Bieter mit dem zweitgünstigsten Angebot gehen soll, nicht den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz.
Zusammengefasst stützte sich der EuGH in seiner Entscheidung im Wesentlichen auf die folgenden Argumente:
– Durch eine solche Regelung wird der Wettbewerb in eher wettbewerbsschwachen Wirtschaftsbereichen begünstigt, weil damit kleinere Lose an andere Unternehmen als an jenes des größten Loses vergeben werden können.
– Aufgrund der Tatsache, dass der Bieter mit dem zweitgünstigsten Angebot den Zuschlag für das kleinere Los nur unter Bedingung erhält, denselben (bereits determinierten) Preis wie der Bieter mit dem günstigsten Angebot anzubieten, liegt kein Verhandlungselement und damit keine Angebotsänderung vor.
Der EuGH befand die Festlegung der dänischen Auftraggeberin daher für rechtmäßig.
Ergebnis/Fazit
Zur Förderung des Wettbewerbs dürfen Auftraggeber:innen die Zahl der Lose beschränken, für die ein einzelner Bieter den Zuschlag erhalten kann. Mit der vorliegenden Entscheidung erklärt der EuGH die kreative Variante einer dänischen Auftraggeberin für zulässig, wonach der Zuschlag in einem Los auch auf das zweitgünstigste Angebot zu den Preisen des günstigsten Angebots erteilt werden kann. Auf diese Weise sorgt die Auftraggeberin zwar insgesamt für mehr Wettbewerb, muss aber beim Preis keinen Kompromiss eingehen.
Sebastian Feuchtmüller / Naomi Grill