OGH: Ist der Straftatbestand für wettbewerbswidrige Absprachen auch außerhalb des BVergG anwendbar?
Der OGH klärt die bisher uneinheitlich beantwortete Rechtsfrage des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs des „Submissionsbetruges“. Dabei geht es um das strafrechtliche Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren außerhalb des BVergG 2018.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Das Strafgesetzbuch normiert in § 168b das Verbot der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren mit einer Sanktion von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Die Norm wurde als eigener Tatbestand aufgenommen, da wettbewerbswidrige Absprachen nach dem Kartellgesetz als Betrug geahndet wurden, eine Verurteilung mangels Feststellung eines tatsächlichen Vermögensschadens jedoch oft nicht möglich war. Seit 2002 macht sich strafbar, wer „bei einem Vergabeverfahren einen Teilnahmeantrag stellt, ein Angebot legt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen“.
Die bisherige Rechtsprechung sowie die (überwiegende) Literatur gingen bislang davon aus, dass sich der Wortlaut des Gesetzes einerseits nur auf Vergabeverfahren im Sinne des BVergG 2018 beziehen und andererseits ausschließlich öffentliche Auftraggeber:innen von der Norm mitumfasst seien.
Sachverhalt
Die WKStA beantragte beim Landesgericht für Strafsachen Wien die Bewilligung einer Durchsuchung eines Verbandes, der gemäß § 168b StGB belangt wurde. Dagegen erhob der Verband Beschwerde beim OLG Wien, welches der Beschwerde teilweise stattgab. Zusammengefasst führte das Gericht unter anderem aus, § 168b StGB sei auf von Privaten durchgeführte Vergabevorgänge nicht anzuwenden. Dagegen erhob die Generalprokuratur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Im Wesentlichen brachte sie vor, dass die Rechtsansicht des OLG Wien, § 168b StGB sei nur auf den sachlichen Anwendungsbereich des BVergG 2018 anzuwenden, nichtig sei.
Beschluss des OGH
Der OGH hat in seiner Entscheidung Stellung zum (sachlichen und persönlichen) Anwendungsbereich der Norm genommen.
Die in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortete rechtliche Beurteilung, § 168b StGB sei nicht auf „von Privaten“ durchgeführte Vergabevorgänge anzuwenden, ist unrichtig. Vielmehr umfasst der Wortlaut der Norm nicht nur öffentliche, sondern auch private Auftraggeber:innen. Ähnliches gilt beim sachlichen Anwendungsbereich, da sich der Straftatbestand nicht auf Vergabeverfahren, die dem BVerG 2018 unterliegen, beschränkt. Die in der Lehre vertretenen Tatbestandsbeschränkungen treffen aus systematischen, subjektiv-historischen und objektiv-teleologischen Gründen nicht zu.
Fazit
Der OGH hat in seiner vorliegenden Entscheidung die bislang in Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortete Frage zum Anwendungsbereich des Submissionsbetruges geklärt. „Vergabeverfahren“ iSd § 168b StGB sind auch solche Verfahren zur Beschaffung von Leistungen, die nicht unter das BVergG 2018 fallen. Als „Auftraggeber:innen“ iSd § 168b StGB gelten nun auch private Rechtsträger, die Leistungen im Rahmen eines „Vergabeverfahrens“ einkaufen. Im Ergebnis sind also Vergabeverfahren, die von privaten Auftraggeber:innen außerhalb des sachlichen Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes durchgeführt werden, vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren gemäß § 186b StGB mitumfasst und mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert.
Der Begriff des „privaten Vergabeverfahrens“ dürfte dabei weit zu fassen sein, setzt aber gewisse Verfahrensstrukturen im Einkaufsvorgang voraus. Teil des Straftatbestands ist nämlich das Legen eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots oder das Führen von Verhandlungen.
Philipp Kummer