Update Vergabe 16.10.2024

VwGH zu „Feigenblattkriterien“ bei Bauausschreibungen

Beim Bestbieterprinzip reicht der Preis allein nicht aus – auch qualitative Kriterien müssen festgelegt werden. Doch was passiert, wenn diese Kriterien minimal gewichtet sind und de facto keine Rolle spielen? Im Fall einer oberösterreichischen Bauausschreibung kam diese Frage auf den Tisch. Der VwGH wog ab.
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Rechtlicher Kontext

Kommt das Bestbieterprinzip zur Anwendung, sind gemäß § 92 BVergG 2018 Ausschreibungen rechtswidrig, die nur den Preis als Zuschlagskriterium beinhalten. Zur Vermeidung von Umgehungen sind nach den Erläuterungen auch sogenannte „Feigenblattkriterien“ unzulässig. Darunter werden Qualitätskriterien verstanden, die – insbesondere aufgrund ihrer geringen Gewichtung – bei der Ermittlung des besten Angebots keine tatsächliche Relevanz haben.

Ausgangsfall

Eine Gemeinde schrieb in einem offenen Verfahren im Bestbieterprinzip Bauleistungen aus und legte dabei nur zwei Zuschlagskriterien fest: Preis und Verlängerung der Gewährleistungsfrist. Eine der Parteien beantragte die Nichtigerklärung der neuen Ausschreibung und kritisierte das Fehlen eines ausreichenden Qualitätskriteriums neben dem Preis. Das mit 10 % der Punkte bewertete Kriterium „Verlängerung der Gewährleistungsfrist“ habe keinen Einfluss auf die Qualität der Bauleistungen.

Entscheidung des VwGH

Das Landesverwaltungsgericht gab dem Antrag statt und erklärte die Ausschreibung für nichtig, da durch die Fokussierung auf den Preis eine Optik entstehe, nach der der Preis das einzige ausschlaggebende Kriterium sei. Dies widerspräche dem gesetzlich festgelegten Bestbieterprinzip.

Der VwGH hob die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts auf, da zum Zeitpunkt der Ausschreibung aufgrund des auf die Dauer der Gewährleistungsfrist abstellenden Kriteriums von einem ausreichenden Qualitätswettbewerb auszugehen war. Das Höchstgericht begründete dies mit dem Umstand, dass die Auftraggeberin plausibel darlegte, dass in vergangenen Verfahren gerade nicht alle Bieter dieses Zuschlagskriterium erfüllten. Da das Qualitätskriterium somit Auswirkungen auf die Reihung haben konnte, war nicht von einem Feigenblattkriterium auszugehen.

Fazit

Insbesondere bei Ausschreibungen, bei denen die Qualitätskriterien im Vergleich zum Preis sehr niedrig (10 % oder weniger) bepunktet sind, sollte darauf geachtet werden, dass die Qualitätskriterien so gewählt werden, dass sie nicht automatisch von allen Bieter:innen erfüllt werden. Dabei ist auf eine ex-ante Sicht, also eine Betrachtung zum Zeitpunkt der Ausschreibung, abzustellen.

Benedikt Flasch

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